Gerhard Roth

Sind Veränderungen möglich?

„Zugleich kann sich Selbstveränderung bis auf Ausnahmen […] nur auf begrenzte Abänderungen der persönlichen Lebensführung beziehen, nicht auf große Charakterumbrüche.“

Gerhard Roth

Warum und wie wir denken, fühlen und tun

„Neurowissenschaftler und inzwischen wohl auch die meisten Psychologen gehen davon aus, dass das Fühlen, Denken und Handeln eines Menschen generell von Geschehnissen in seinem Gehirn bestimmt wird. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gehirn die Letztursache unserer Gefühle, Gedanken und Handlungen ist, denn es wird dabei seinerseits von zahlreichen Faktoren bestimmt, zu denen die Gene und epigenetisch-entwicklungsmäßige Prozesse auf der einen Seite und Umwelteinflüsse verschiedenster Art auf der anderen Seite gehören. Zu letzteren zählen auch über das Gehirn und den Körper der werdenden Mutter vermittelte vorgeburtliche Einflüsse, prägende Erlebnisse während der frühen Kindheit sowie Umwelteinflüsse in späterer Kindheit und in Jugend und Erwachsenenalter.“

Gerhard Roth

Hach ja… #74

Depressive Personen sind in manchen sehr erfreulichen und gelösten Situationen nur schwer von nicht-depressiven Personen zu unterscheiden, werden sich aber in unerfreulichen oder angespannten Situationen viel elender fühlen als Personen ohne eine Disposition zur Depression.

Gerhard Roth

Warum Achtsamkeit?

Wir können nur bewusst neue, komplexe Probleme angehen und im Detail Dinge planen, und wir können nur dann einigermaßen komplexe Dinge aussprechen. Schlicht und einfach gesagt: Immer wenn wir mit etwas Neuem bzw. Ungewohntem konfrontiert werden, bei dem es um die komplexe Verarbeitung von Details geht, brauchen wir Bewusstsein. Wir konzentrieren uns dann auf die anstehende Situation oder das anstehende Problem, und je mehr wie uns konzentrieren, desto höher wird die Intensität der bewussten Wahrnehmung des entsprechenden Vorgangs.

Roth, Gerhard: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Stuttgart, 2011.

DIE Gretchenfrage: Wer bin ich? Und warum?

Schließlich gibt es auch einen wichtigen psychosozialen Grund für das Entstehen des Ich: Wir werden von unserer Mutter, unseren anderen Familienangehörigen, Freunden, Schulkameraden als ein Individuum, eine ‚ungeteilte‘ Einheit behandelt, angeredet, und zwar mit einem Du, das jeweils mit einem Ich korrespondiert. So lernen wir uns selbst als eine Einheit zu betrachten und zu benennen.

Das Ich ist also eine Gestalt, eine Vielheit mit einem gemeinsamen Schicksal, und diese Gestalt ist dynamisch, nicht statisch. Das Ich wandelt sich und erzeugt zugleich ein Kontinuum, und nur bestimmte Erkrankungen des Gehirns oder der Psyche (die letztlich auch auf Gehirnerkrankungen zurückgehen) können dieses Kontinuum zerstören.

Roth, Gerhard: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Stuttgart, 2011.

„Schneller!“ – Von der Pathologisierung des Lebens

Das zeigt sich z.B. auch daran, dass es 1980 als normal galt, wenn ein Mensch ein Jahr lang um einen nahen Angehörigen trauerte. 1994 sollten mindestens zwei Monate Trauerzeit verstreichen, bevor ein Psychiater dies als eine behandlungsbedürftige Depression einstufen konnte. Seit Mai 2013 wird dieser Zustand im DSM-5 bereits nach wenigen Wochen als kritisch eingeschätzt.

Roth, Gerhard, Ryba, Alica: Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte. Stuttgart, 2016.